Münchner Freiheit

Im Dezember 1946 erhielt die Münchner Freiheit ihren heutigen Namen, um an die Freiheitsaktion Bayern (FAB) zu erinnern. Zuvor hatten 1933 die Nationalsozialisten den dortigen Feilitzschplatz in Danziger Freiheit umbenannt. Dies war nach Kriegsende 1945 wieder rückgangig gemacht worden.

Die Freiheitsaktion Bayern war ein Netzwerk von NS-Gegnern, das sich vor allem im Frühjahr 1945 herausgebildet hatte. In der nasskalten Nacht vom 27. auf den 28. April 1945 unternahmen aus diesem Umfeld heraus rund 440 Wehrmachtssoldaten einen Aufstand gegen die NS-Machthaber. Zwei Tage vor dem Einmarsch der alliierten Truppen in München wollte die Gruppe mit Hilfe des Reichsstatthalters in Bayern einen Waffenstillstand verhandeln und eine Ubergangsregierung bilden.

Die folgenden Bilder zeigen Schauplätze in München, an denen einzelne FAB-Gruppen in Aktion traten.

Vier der acht beteiligten Gruppen hatte sich aus Mitgliedern der Dolmetscher-Kompanie im Wehrkreiskommando Vil gebildet. Die Kompanie war in der Kaserne an der Saarstrafie untergebracht. Von hier aus startete auch eine Gruppe, die ursprünglich das Gebaude des Völkischen Beobachters in der Schellingstrafie besetzen sollte, was sich aber als zu riskant herausstellte. Die Soldaten besetzten deshalb schließilich das Redaktionsgebaude der Münchner Neuesten Nachrichten, der Vorgangerin der Süddeutschen Zeitung. Das Gebäude an der Sendlinger Straße wurde ohne große Probleme eingenommen. Bevor jedoch, wie geplant eine Zeitung und Flugblatter gedruckt werden konnten, wurde vor anrückenden Gegnern gewarnt. Die Soldaten ergriffen darauthin die Flucht. Ein Teil der Gruppe zerstreute sich. Der andere Teil konnte zum Aumeister im Norden des Englischen Gartens gelangen. Dort befand sich ein Meldeposten der FAB und auch Beteiligte anderer Gruppen trafen nach und nach ein.

Am Aumeister kamen im Laufe des Morgens auch Mitglieder des Grenadier-Ersatz-Bataillon 61 an. Sie hatten in Pullach vergeblich versucht, den Chef des Generalstabes des Oberbefehlshabers West festzunehmen. Stattdessen hatten sie sieben Mitglieder der SS in ihre Gewalt gebracht. Einen hohen Münchner NS-Funktionär konnten sie ebenfalls, gefangen nehmen, als sie für kurze Zeit das Münchner Rathaus besetzt hatten.

Eine andere Gruppe der Dolmetscher-Kompanie kam zum Aumeister, nachdem sie die Telefonzentrale im nach Kempfenhausen ausgelagerten Stellvertretenden Generalkommando des Wehrkreises VII zerstört hatte. Ihr eigentliches Ziel, die Festnahme des Generalstabsoffizier des Generalkommandos hatte sie nicht erreichen können.

Andere Angehörige der Dolmetscher-Kompanie hatten in der Zwischenzeit den Sender der Befehlsstelle des Gauleiters in Freimann nördlich des Aumeisters besetzt. Sie riefen die Hörer in verschiedenen Sprachen auf, sich dem Aufstand anzuschliefien. Am Morgen wurde entschieden, dass alle Anwesenden entlang der Isar zu Fuß Richtung Norden zur Großsendeanlage in Ismaning gehen.

Den im Erdinger Moos gelegenen Großsender Ismaning hatte im Laufe der Nacht eine Einheit der Panzer-Ersatz-Abteilung 17 besetzt. Von hier aus wurden seit etwa 6:00 Uhr morgens Aufrufe der FAB gesendet. Die Hörer an den Rundfunkgeraten in einem mehr als 100 Kilometer umfassenden Radius erfuhren, dass die FAB die Macht übernommen habe. Der Reichsstatthalter befinde sich auf einem Gefechtsstand der Aufständischen und die Alliierten seien in greifbarer Nahe. Ein Zehn-Punkte-Programm legte erste Regeln für den Übergang fest. Die Angaben zum Reichsstatthalter entsprachen der Wahrheit. Er befand sich tatsächlich bei einer weiteren Einheit der Panzer-Ersatz-Abteilung 17 auf
einem aufgelassenen Einödhof nördlich von Freising. Jedoch weigerte er sich – nach einem die Nachtandauernden Hin und Her – den Aufstand zu unterstützen. Dies und fehlende Informationen bei den FAB-Mitgliedern am Großsender Ismaning führte zum Abbruch der Aktion. Auch rückten bereits einige SS-Soldaten aus München an, die den dann schon verlassenen Sender umstellten. Ab dem späten Vormittag waren der Gauleiter von München und Oberbayern und der Münchner Oberbürgermeister über diesen Sender im Rundfunk zu hören. Damit war klar, dass die Aktion gescheitert war.

Im Bunker des Zentralministeriums (heute das so genannte Landwirtschaftsministerium) an der Ludwigstraße hatte in dieser Nacht der Gauleiter seinen Befehlsstand. Dort hätte ihn eine Gruppe der FAB, die aus dem Grenadier-Ersatz-Bataillon 19 gebildet worden war, festnehmen sollen. Dies war den Soldaten jedoch nicht gelungen. Nachdem die Aktion insgesamt gescheitert war, wurde das Zentralministerium für sechs Menschen, die alle in einen Zusammenhang mit dem Aufstandsversuch gebracht wurden, zum Hinrichtungsort. An vielen Orten in München und Oberbayern waren Menschen den FAB-Aufrufen gefolgt und hatten beispielsweise weiße Fahnen angebracht oder NS-Funktionäre gefangen genommen. Nachdem die Aktion jedoch gescheitert war, reagierten einzelne Nationalsozialisten mit grausamen Racheaktionen: In Altötting, Dachau, Burghausen, Götting, Grünwald, Penzberg und anderen Orten wurden noch 57 Menschen umgebracht.

Der Aufstand der Freiheitsaktion Bayern wird bis heute sehr unterschiedlich bewertet: Die Spannweite reicht dabei von der Einordnung als Teil der Geschichte des deutschen Widerstands bis hin zum Vorwurf, die Aktion sei dilettantisch durchgeführt worden und habe noch kurz vor Kriegsende unnötige Todesopfer gekostet.

Dr. Veronika Diem
Jahrgang 1975

studierte Geschichte in München und Venedig. Ihre Magisterarbeit widmete sich dem Thema der NS-Zwangsarbeit. Von 2007 bis 2011 war sie wissenschaftliche Redakteurin beim Historischen Lexikon Bayerns und arbeitete an der Bayerischen Landesbibliothek Online in der Bayerischen Staatsbibliothek München. Von 2011 bis 2013 absolviert sie ein Referendariat zur wissenschaftlichen Bibliothekarin. Für ihre Doktorarbeit. Die Freiheitsaktion Bayern. Ein Aufstand in der Endphase des NS-Regimes“ erhielt sie 2012 den Dorothee-Fliess-Preis für Widerstandsforschung.